Aktionsbündnis Böbinger Tunnel

Nachbetrachtung der Veranstaltung des Regierungspräsidiums Stuttgart am 17.09.2019 in Böbingen

Zunächst vorneweg: Ein herzlicher Dank an alle Besucher der Veranstaltung. Zum einen, weil sie in so großer Zahl den Weg in die Römerhalle gefunden haben, zum anderen, weil alle mit ihrem Applaus, den Redebeiträgen und den wenigen Zwischenrufen immer fair und sachlich geblieben sind und sich mit überwältigender Mehrheit für eine Tunnellösung stark gemacht haben. Das hat bei allen Gästen (auch und vor allem bei den Vertretern des Regierungspräsidiums Stuttgart (RPS) einen starken Eindruck hinterlassen. Ein weiterer Dank gilt den Mitarbeitern des Bauhofes der Gemeinde, die die Halle hergerichtet haben – und das bei den vielen Tätigkeiten, die sie derzeit im Rahmen der Remstalgartenschau ohnehin verrichten.

Nachstehend nun eine kleine Nachlese der Aussagen an diesem Abend inklusive einer Kommentierung aus Sicht des Aktionsbündnisses Böbinger Tunnel:

Das Thema Städtebau

Leider wurde das Thema Städtebau – damit sind die Gesamtheit der planenden, ordnenden und baulichen Maßnahmen zur räumlichen Gestaltung und Entwicklung in Stadt und Land gemeint –, unzureichend behandelt. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 (Gesetz) unter Punkt 12.4 (Städtebauliche Beurteilung, Modul D) ist eine solche Abwägung aber gefordert. Unserer Meinung nach hat hier der Tunnel gegenüber allen oberirdischen Varianten klare Vorteile.

Technischer Variantenvergleich für den Abschnitt B (Teil 1)

Auszug Folie 50 der Präsentation des RPS

In einem direkten Vergleich der Visualisierungen wird sehr deutlich, wie der Ort eine Trennung durch die dominanten oberirdischen Bauwerke (hier im Beispiel eine Brückenvariante mit Blick aus Südwest) erfahren würde. Nur durch einen Tunnel und die damit einhergehende Überdeckung der Fläche würde ein Zusammenwachsen von Böbingen ermöglichen (siehe nachstehendes Bild, Trennlinie „anfassen“ und hin- und herbewegen).

Den gleichen Vergleich, zwischen Brücke und Tunnel, für den Blick aus nordöstlicher Richtung

Weitere Informationen zum Thema Städtebau finden Sie auch in unserem Positionspapier auf den Seiten 14 und 15.

Das Thema Gesundheit

Bei diesem Thema geht es in erster Linie um Fragen der besseren Lösungen in Sachen Lärm sowie Abgas- und Feinstaubbelastung. Das RPS kommt in seiner Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) zu dem Ergebnis, dass die Tunnellösung die günstigste Lösung für die Menschen in der Wohnlage in Böbingen darstellt. Dem stimmen wir ohne Wenn und Aber zu. Vor allem ange-sichts der Erfahrungen mit der B29-Ortsumgehung Mögglingen, wo es allem Anschein nach eine Diskrepanz zwischen den theoretischen Lärmberechnungen (und den daraus resultierenden Lärmschutzmaßnahmen) und den tatsächlichen Lärm-Immissionen gibt.

Die Schutzgüter

Auszug Folie 49 der Präsentation des RPS

Das Thema Soziales

Dieses Thema wird in der Bewertung vollständig ausgeblendet. Leider ist in den gesetzlichen Vorgaben des Bundesverkehrswegeplan 2030 kein entsprechendes Abwägungskriterium aufgeführt.

Unserer Meinung nach muss jedoch die soziale Trennungswirkung jeder oberirdischen Lösung in die Abwägung eines Variantenvergleiches einfließen. Verbindende Elemente zur Stärkung von Ortszentren sind elementar für die Sozialisation, Identität und bürgerschaftliches Engagement und somit für den Erhalt und die Stärkung der Lebensqualität in einer Gemeinde.

Weitere Informationen zum Thema Gesundheit finden Sie auch in unserem Positionspapier auf den Seiten 18 und 19.

Das Thema Recht

Ebenfalls ausgeblendet wurde das Thema Recht oder die Frage, bei welcher der Varianten die geringsten juristischen Hürden zu erwarten sind.

Anders als bei Brücke oder Damm werden bei einem Tunnel die geringsten Flächen dauerhaft benötigt. Das sieht auch das RPS so (siehe Folie 49). Heute befinden sich etliche Grundstücke entlang der Trasse in Privat- oder in Gemeindeeigentum. Diese müssten durch den Bund erworben werden. Daher können wir der Aussage auf Folie 50 nicht nachvollziehen, wonach die Eigentumsverhältnisse bei Tunnel und Brücke gleichgewichtig sein sollen.

Aufgrund einer von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten oberirdischen Variante sind langwierige gerichtliche Enteignungsverfahren zu erwarten, die zu jahrelangen Verzögerungen führen. Diese treffen in erster Linie die Wirtschaft in der Region und alle Verkehrsteilnehmer, die auf die Ostalb oder von dort in Richtung Stuttgart fahren wollen. Die dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten sind in keiner Nutzen-Kosten-Rechnung berücksichtigt.

Das Thema Verkehr

Beim Gesamtvergleich der Varianten (Folie 52) sind Brücke und Tunnel gleich bewertet. Wir sehen allerdings Vorteile bei der Tunnellösung, z.B. bessere Fahr- und Sichtverhältnisse bei entsprechenden Wetterlagen, optimalere innerörtliche Verkehrsverbindungen.

Weitere Informationen zum Thema Gesundheit finden Sie auch in unserem Positionspapier auf den Seiten 22 und 23.

Das Thema Ökologie

Aus der o. g. Folie 49 geht klar hervor, dass die ökologischen Schutzgüter am besten durch eine der vorgestellten Tunnelvarianten geschützt sind. Wieso dann beim Gesamtvergleich der Varianten die Tunnellösung bei der Umweltverträglichkeit keine Vorzugsvariante ist, ist nicht nachvollziehbar.

Wir sehen bei diesem Thema die Tunnellösung als klare Vorzugsvariante.

Gesamtvergleich der Varianten

Auszug Folie 52 der Präsentation des RPS

Das Thema Finanzen

Mit aktuell ca. 50 Mio. EURO Mehrkosten ist die Tunnellösung die teuerste. Aus unserer Sicht dürfen jedoch nicht nur die reinen Baukosten gesehen werden. Langfristig und unter Einbeziehung anderer, auch nicht materieller Faktoren sind diese Mehrkosten gerechtfertigt.

Die vom RPS genannten Unterhaltungskosten von ca. 200 T€ pro Jahr für einen Tunnel mögen korrekt sein. Leider wurden keine Unterhaltungskosten für eine Brücke genannt.

Das Thema Bauphase

Alle Varianten werden starke Beeinträchtigungen für alle Verkehrsteilnehmer, aber auch für die betroffene Bevölkerung an der B29 und den Umgehungstrassen haben.

Ob es zu einer Vollsperrung der B29 im Bereich der Böbinger Ortslage im Falle eines Tunnels kommen muss, bezweifeln wir. Aussagen von Experten sagen zu diesem Thema etwas anderes aus. Nach dem Vorliegen der hydrologischen und geologischen Untersuchungen muss es zu dieser Frage eine Prüfung geben, ob und unter welchen Bedingungen eine Vollsperrung verhindert werden kann.

Wichtig und stets von uns gefordert ist die vorherige Fertigstellung der L1161-Ortsumgehung von Heubach.

Die Gewichtung der Bewertungskategorien

Während der Infoveranstaltung beantwortete das RPS die Frage nach der Gewichtung der Bewertungskategorien (Raumstruktur, Verkehr, Bauablauf, etc.) nur vage. Eine solche Gewichtung könne erst nach Vorliegen aller (hydrologischen und geologischen) Untersuchungsergebnisse vorgenommen werden. Aber man tendiere dazu, sie ungefähr gleichwertig zu gewichten. Auf diese Weise würden die Argumente des RPS bezüglich des Tunnels gegenüber den oberirdischen Varianten besonders negativ ins Gewicht fallen.

Aus Sicht des Aktionsbündnisses kann es keine solche gleichwertige Gewichtung geben – ansonsten könnte man auch gleich auf sie verzichten. Die Tatsache, dass die Brücke als Bauwerk über mehrere Jahrzehnte den Ort Böbingen im Zentrum trennt und regelrecht verschandelt wird muss stärker berücksichtigt werden, als beispielsweise die Aspekte während der Bauphase, die bekanntlich „nur“ drei bis vier Jahren andauern werden. Ebenso sind die Schutzgüter, vor allem der Mensch und die Umwelt, wie auf Folie 49 festgehalten, stärker zu gewichten als rein finanzielle Kriterien.

Zusammenfassung

Die Aussage des RPS auf der Folie 12, dass „für den Ausbau, diejenige Variante gefunden werden muss, die den Bedürfnissen der Bevölkerung, der Umwelt und des Verkehrs insgesamt am besten entspricht“ können wir nur unterstreichen und ist in den Vordergrund zu stellen.

Werden diese Aspekte in der Abwägung der Vor- und Nachteile stärker gewichtet, als beispielweise das Thema Kosten, dann kann es nur zu dem Ergebnis kommen, dass die neue, vierspurige B29 in der Ortslage in Böbingen in einem Tunnel geführt werden muss.